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Viola Fischerová - Muttereinsamkeit
Übersetzung: Christa RothmeierManchmal, Herr, öffnest Du mir für eine Sekunde die Tür zu dem was ich sehe Die lebhaften Äpfel auf einem kahlen herbstlichen Baum die fröhlichen Offenbarungen der Vogelbeeren in einer Allee meine längst vergangenen Träume und das Leben zu ihnen und das ewige Gegenteil des Verlusts in dem ich mich befinde Für Kurt Krolop Ich bin genügsam und friedlich zwei Tote bedrängen mich wie Oblaten weiß und flach wie Lebkuchennikolos hinterrücks Ich werde ihnen gerecht und fehle nicht Sich ja hüten Vor einer Berührung einer rundlichen Schulter einem rundlichen Arm Die Espen zitterten mittags und atmeten Dennoch hätte ich über den heißen Damm die Gleise und den Zaun klettern und im Feld der Sonnenblumen mit den ausgebrannten Kernen nachsehen sollen ob sie sich noch zur Sonne wenden Für Karel Køepelka Immer ist einer da und ist nicht da so viele leere Stellen von uns gesammelt in die Scharfrichterkörbe werden bald auch unsere Köpfe fliegen Wir sind hier schon längst nicht mehr allein hinter uns drängen und treiben uns schreiende Kinder ein jedes unser Tod Für Bohumil Hrabal Das sieht dir gleich die Menschen zum Trinken zu animieren mit Geschichten Gesprächen und Bier - was habe ich nicht gelacht - Das sieht dir gleich dass du gehungert hast mit all den Katzen im Wald Das sieht dir gleich dem steif gefrorenen lauernden Tod Taubengestalt gegeben einen Gugelhupf zerkrümelt und dich hinabgestürzt zu haben Das sieht dir gleich Der sonnige Duft des Aprils Am Morgen den Mund voller Kindheit Kakao Brot und Butter Hinter dem Haus ein Garten hinter dem Zaun das innere Bild Das süßeste siegreiche winzige Gänsekraut mit Flaumfedern und nasser Sand und ein Teich Im vom Friedhof übrigen Park neben der Mauer ein schwarz gewordener Stein der düstere Engel der nicht von dir weicht in der Sonne Eingegossen ins Licht des Oktoberwaldes wie Bienen in Bernstein die Toten und gleich unbekannt Ich schreite durch ihr seltsames Leben ohne Veränderung tausche Gold gegen Blätter und trete auf sie Die Hündin erschnüffelt im Laub was sie soll und ich mir nur als Lehm auf den Stiefeln gestatte Raschelnd fallen die Bucheckern und der Regen Und dennoch Vor mir hinter mir Leere Ein Rachegeschenk Weich verbreitet sich die Witterung hell dämmert es den ganzen Tag Diese laue Schwinge kannte dich nur entsinne ich mich nicht wo Auf dem Schnee in den Feldern sich der Landschaft bemächtigend finde ich Wochen später die wulstigen Kreuzchen meiner Schuhsohlen Die nasse Spur der Hündin hat schon die Erde ergriffen Für Jiøí Koláø Am Ende wird die Sonne nur mehr auf der anderen Seite einer ewig sommerlichen sonntäglichen Straße sein Passanten kehren vom Wasser heim und wir als hätten wir immer nur in einem Zimmer den Blick auf die Wand gerichtet gewohnt werden auf den Betten träumen von dem wie leicht wir die Tür erreichen Für Eva Miláèková Sich mitnehmen was an den Augen hängen bleibt Ein kleines goldenes Blatt im Wald das nicht ganz herabfiel sondern haften blieb an einem unsichtbaren Speichel inmitten des Wegs über dem Boden klein senkrecht und erhaben offenbart es nun was wir nur ahnten den nicht erkennbaren Atem seine Bewegung in stickiger Windstille Ausgetretene Männersandalen graue Socken mit einem schmalen blauen Streifen Mittelpunkt der Sonne in einem Autobus Etwas fängt hier abermals an Ein Zug der hinter einem Kornfeld im Tunnel verschwindet wohin ich aus dem Garten wo ich spiele nicht blicken kann Was ist hier lebendig? Was aufgelebt? Ein heißer Nachmittag die Luft die in der Ferne vibriert und in dem kleinen Schrank auf dem Gang die Füße eines Vaters der einem Kind eine halbes Jahrhundert zuvor entschwand
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