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Marian Palla - Wie man einer dicken Frau schmeichelt

Übersetzung: Mirko Kraetsch

Wie man einer dicken Frau schmeichelt

          Wir kaufen alle verfügbaren Bücher über das Barock auf, schneiden die Bilder aus ihnen aus und tapezieren damit das Klo. Dann laden wir die dicke Frau zu einem Besuch ein. Wir öffnen eine Flasche Rotwein und gießen ihr so lange nach, bis sie aufs Klo geht.
          Bei ihrer Rückkehr spüren wir augenblicklich, wie geschmeichelt sie sich fühlt.



Wie man einem Haifisch verzeiht, der einem ein Bein abgebissen hat

          Wenn wir besonders gern an Stellen tauchen, die vor Haifischen wimmeln, müssen wir damit rechnen, dass uns einer von ihnen ein Bein abbeißt.
          Ein so gezeichneter Taucher ist dann meist bis an sein Lebensende allen Haifischen gram, obwohl diese selbst gar nichts dafür können.
          Sie haben lediglich Hunger und große Zähne. Wir können schließlich nicht davon ausgehen, dass so ein hungriger Haifisch, wenn er irgendwo herumschwimmt und plötzlich ein Stück Fleisch in Form eines menschlichen Beins vor sich sieht, dass er sich abwendet und woanders hinschwimmt! Dass kann niemand von ihm erwarten. Allerdings hegen ziemlich viele Taucher mit abgebissenem Bein gegenüber diesen feschen Fischen einen Groll. Sie machen sich aber überhaupt nicht bewusst, wie wenig genügt hätte, damit sie mit beiden Beinen wieder aus dem Wasser gestiegen wären. Wenn sich zum Beispiel jeder Taucher vor dem Tauchen ein drittes Bein aus Holz anschnallen würde, oder noch besser: wenn er gleich fünf Holzbeine anschnallen würde, wäre die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sich der Haifisch irrt, aber so etwas macht kein Taucher, er würde nämlich lächerlich aussehen, wenn er sich mit seinen drei Holzbeinen über den Strand zum Wasser schleppen würde.
          Ich zweifle daran, dass irgendein schönes Mädchen sich nach ihm umdrehen und seufzen würde, was das doch für ein unerschrockener Bursche sei und wie gut ihm das stehe. Und so setzen die Taucher auf Risiko und büßen ihre Beine ein. Dagegen lässt sich scheinbar nichts mehr tun. Ein bewundernder Blick eines schönen Mädchens zählt nämlich immer mehr als ein abgebissenes Bein.



Wie man die Welt verändert

          Es ist ein Fehler zu denken, dass wir, wen wir die Welt verändern wollen, dabei einige Millionen Menschen liquidieren müssen, wie es uns die Geschichte lehrt. Den Individuen, die das verursacht haben, war nämlich eine wesentliche Sache nicht bekannt: Dass sie ihre Vorstellungen über die Veränderung der Welt den übrigen Menschen nicht zur Kenntnis geben dürfen!
          Und deshalb: Wenn Sie die Welt verändern wollen, dann arbeiten Sie individuell und geheim. Und außerdem: Wenn Ihnen gegenüber jemand behaupten sollte, er wisse, wie vorzugehen sei, dann laufen Sie schnell vor ihm weg.
          Das bedeutet allerdings nicht, dass Sie, wenn Sie das hier lesen, den Text sofort wegwerfen und dann schnell weglaufen müssen; ich gebe Ihnen nämlich einen ganz anderen Ratschlag:
          FALLS SIE DIE WELT VERÄNDERN MÖCHTEN UND SICH SCHÄMEN EINEN KRIEG ZU ENTFESSELN; LAUFEN SIE AUF EIN FELD UND VERTAUSCHEN SIE DORT ZWEI STEINE.



Wie ein Blinder Nessie streichelte

          Man schrieb das Jahr 2002. Das tschechische Hochschulwesen hatte ein derartig hohes Niveau erreicht, dass sogar die Bewohner von Zentralaustralien vor Neid platzten.
          Standa Filipoviè bekam zum sechsunddreißigsten Mal Projektmittel und berief als Leiter des Multilaboratoriums seine Assistenten ein:
          „Verehrte Kollegen, ich muss euch mitteilen, dass wir schon wieder zusätzliches Geld bekommen haben, ich würde also gern eure Meinung hören.“
          „Das kann ja wohl nicht wahr sein! Unerhört! Warum ausgerechnet wir?“, riefen die verzweifelten Assistenten.
          „Wir sind die besten“, gab Standa Filipoviè zu bedenken.
          „Schon wieder müssen wir uns extra etwas einfallen lassen!“, rief Assistent Petr. Standa Filipoviè nickte traurig und fügte hinzu:
          „Aber, aber, Jungs, wir sind schließlich Wissenschaftler, nicht?“
          „Das schon! Aber warum hat dieses Jahr nicht die Baufakultät die Projektmittel bekommen?“, fragte wütend Assistent Petr.
          „Weil ihr Huhn krepiert ist, das sie mit zermahlenen Ziegelsteinen gefüttert haben“, warf Standa Filipoviè ein.
          „Ich hab’s!“, rief Assistent Karel. „Wir müssen uns etwas wirklich Unmögliches ausdenken … und vielleicht lassen sie uns dann in Ruhe!“
          „Aber was?“, fragte Assistent Petr.
          Standa Filipoviè begann zu grübeln:
          „Jungs! Neulich saß ich bei einer Suppe, die mich fünf Essenbons gekostet hat und …“
          Die Assistenten schauten einander fragend an.
          „Und mir fiel ein, dass bisher alle am Ungeheuer von Loch Ness gescheitert sind!“
          „Hurra! Hurra! Auf nach Schottland!“, riefen die Assistenten und stürzten zum Flugzeug um endlich diese Untersuchung vom Hals zu haben.
          „Bestimmt finden wir es nicht und nächstes Jahr geben sie die Projektmittel der Baufakultät!“, tuschelten sie glücklich, als sie sich dem See näherten. Standa Filipoviè gab allen ganz formal Papier und Stifte, damit hinterher keiner sagte, dass sie das nur so hingeschludert hätten, und begab sich ins nächste Pub am Ufer des Sees. Kurze Zeit später saßen alle anderen auch dort und freuten sich, wie glatt dieses Jahr alles lief.
          „Jungs, erinnert ihr euch“, begann Standa Filipoviè, „wie wir vor zwei Jahren das Auftreten dieses roten Ausschlags in Tibet untersucht haben?“
          „Klar“, sagte Assistent Karel. „Das hat zwei Monate gedauert und am Ende haben wir festgestellt …“, und er schaute Assistent Petr vorwurfsvoll an, der den Blick senkte, „dass den Ausschlag unser Petr dort eingeschleppt hat, als er ein Jahr vorher mit seinem kranken Hund dort war.“
          „Ist ja gut“, beruhigte Standa Filipoviè die Assistenten. „Ich habe nur deshalb damit angefangen, weil wir, falls ihr euch erinnert, das Problem damals vor einer Kneipe geklärt haben!“
          Die Assistenten schauten einander überrascht an.
          „Wir müssen auf der Hut sein, wenn wir hier rausgehen, dass wir Nessie nicht noch sehen!“
          Die Assistenten nickten und versprachen, dass sie aufpassen würden.
          Ungefähr eine halbe Stunde später ging Assistent Petr aufs Klo.
          „Pass auf! Vielleicht gibt es auf dem Klo ein Fensterchen zum See hinaus!“, ermahnte ihn Assistent Karel.           „Mach dir keine Sorge, ich bin schließlich schon zwanzig Jahre am Institut“, erwiderte Assistent Petr hochnäsig, aber als er auf den Flur hinausging, verwechselte er die Tür, und als er sie aufmachte, fand er sich plötzlich vor dem Pub wieder und gerade in diesem Moment kam ein Windstoß und zwei Zweige aus einem nahen Gebüsch stachen ihm die Augen aus. Verwirrt begann er sich im Kreis zu drehen und herumzutapsen und dann spürte er, dass er bis zu den Knien im Wasser stand, und auf einmal … schlug das Wasser Wellen und etwas schleckte ihm das Gesicht ab und als er anfing es zu betasten, stellte er fest, dass es ein riesiger Kopf auf einem noch größeren Hals war und dass alles nass und glatt war, und wie er es so betastete, da kroch es aus dem Wasser und wurde immer größer und größer und als er den Schwanz mit den vielen kleinen Flossen ertastete, sank er erschöpft am Ufer nieder und jammerte:
          „Schöne Sch…, der Chef bringt mich um, das ist bestimmt Nessie!“
          Vollkommen zerknirscht kehrte er zum Pub zurück und verkündete:
          „Meine Herren, entschuldigt bitte, aber ich habe Nessie gesehen!“
          „Was redest du denn da!“, rief Assistent Karel aufgebracht, „Du hast doch gar keine Augen!“
          „Augen habe ich keine, die haben mir die Zweige ausgestochen, aber ich habe das Ungeheuer komplett abgetastet und …“ Und er begann, als ordentlicher Wissenschaftler, zu beschreiben, wie groß das Tier war, was für eine Haut und wie viele Beine es hatte, wie schnell es sich bewegte, was für Geräusche es von sich gab und wie oft es ihn abgeschleckt hatte.
          „Meine Herren!“, schloss Standa Filipoviè die ganze Angelegenheit ab, „Aus dieser Beschreibung von Assistent Petr geht klar hervor, dass wir das Ungeheuer von Loch Ness entdeckt haben und dass wir jetzt unsere Fräcke auspacken und Symposien abklappern und Vorträge halten müssen … und dass wir wahrscheinlich im nächsten Jahr wieder neue Projektmittel bekommen werden.“
          „Du bist absolut unfähig!“, schrie Assistent Karel Assistent Petr an. „Musstest du das Tier unbedingt abtasten? Hättest du nicht, gleich, als es dich abschleckte, einfach zurückkommen können und so tun, als wäre nichts gewesen?“
          Assistent Petr ließ den Kopf hängen:
          „Ich bin aber nun mal Wissenschaftler … Ich kann doch nichts dafür.“
          „Und damals in Tibet mit deinem kranken Hund, warst du da auch Wissenschaftler?“, schleuderte Assistent Karel dem unglücklichen Assistenten Petr entgegen und fügte hinzu: „Ich kündige! Mit dir arbeite ich nicht mehr, ich gehe zur Baufakultät!“
          Gesagt, getan. Aber in wissenschaftlichen Kreisen begann man zu munkeln, dass das sicher aus Berechnung war, denn die Baufakultät würde nächstes Jahr sicher wieder keine Projektmittel bekommen.



Wie man Kreise auf dem Wasser misst

          Aus beidseitigem Holz fertigen wir eine Schablone an. (Ich empfehle sehr hartes Holz, welches großen Wellen standhält.) Die Schablone muss die Form eines Ringes mit einem Innenradius von 70 cm haben. Danach werfen wir einen Stein ins Wasser und platzieren die Schablone an der Wurfstelle auf dem Wasserspiegel. In dem Moment, wenn der Wellenkreis dank seiner natürlichen Ausbreitung die Größe der von uns ausgedrechselten Schablone erreicht, springen wir auf und rufen: „Siebzig!“

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