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Antonín Bajaja - Wolfwerdung

/Übersetzt von Kristina Kallert (I, III) und Marianne Pasetti-Swoboda (II)/

I

Kontext: Das Buch von Antonín Bajaja trägt den Untertitel „Romanetto von Wölfen, Menschen und Erscheinungen“. Genauso gut könnte man es als eine Saga verstehen, die uns das Schicksal zweier Familien erzählt – einer Wolfs- und einer Menschenfamilie. Die beiden Handlungsstränge entwickeln sich zunächst separat, nähern sich allmählich einander an und verflechten sich schließlich auf geheimnisvolle Weise. Die Schicksale der Menschenfamilie erzählt der Autor nicht nur aus auktorialer Perspektive in der Er-Form – in dieser Perspektive wird von den Wölfen erzählt –, sondern auch in der Ich-Form, um so die Dinge zusätzlich aus der subjektiven Sicht der einzelnen Protagonisten zu beleuchten. Diese beiden Erzählperspektiven sind – wie das erste Textbeispiel zeigt – graphisch voneinander abgehoben: Passagen in der Ich-Perspektive sind kursiv, auktoriale Erzählpassagen sind in Standardschrift. Die Menschenfamilie hat einen Prager Zweig (die Lipners) und einen mährisch-walachischen (die Butoras, zu der auch die entfernte Verwandte Jadwiga gehört). Das Familienoberhaupt, der Oberförster Ferdinand Butora, er war österreich-ungarischer Abstammung, ist gestorben. Es ist Mitte Januar, im Forsthaus auf der mährischen Seite der Karpaten hat sich die Familie des Verstorbenen eingefunden. Der folgende Textausschnitt zeigt sie um den Sarg versammelt, in einem kühlen Raum, der nur von ein paar Kerzen erleuchtet wird. Es wird erzählt, geschwiegen, erzählt – und man erwartet Besuch: die Nachbarn Ester und Vincek Paták aus dem nahegelegenen Tal, das Paradies genannt wird. Die Wölfe, vor kurzem von Jägern aus der Zentralslowakei vertrieben, haben in der Zwischenzeit den Kamm des Grenzgebirges überschritten und nähern sich dem Ort, an dem sie ihr neues Zuhause erahnen. Hier setzt das erste Textbeispiel ein. Zunächst hat Jiøí Butora das Wort – auch er ist Förster –, dann sein Schwager, der Psychiater Tomá¹ Lipner, und schließlich geht die Handlung weiter.

Ester und Vincek hatte ich eingeladen, weil ich weiß, daß Vater sich das so gewünscht hätte. Sie gehören zum Forsthaus, und vor allem gehören sie zum Wald. Manchmal scheint es, als hätten sie keine Haut, sondern Rinde. Aber Ester muß einmal eine Schönheit gewesen sein, Vincek hat sie sich ins Paradies geholt, aus den Weißen Karpaten, wo man angeblich noch auf besondere Weise über den Gräbern klagt. Sie hat mir auch einmal erzählt, daß sie einige professionelle Klageweiber kannte und hat sogar ein Lied angestimmt, das etwa so ging: und sie klagten und es war wie Musikantenspiel. Aber die Kraft, die sie vor uns offenbarte, hätte ich nicht erwartet. Selbst Tomá¹, und der hat alle möglichen Patienten erlebt, war verblüfft.

***

Sie erinnerte an eine Tragödin. Vor Jahren hatte ich mich mal mit Theatralität als Sympton verschiedener Neurosen beschäftigt, ein Stück Komödiantentum tragen wir alle in uns. Ein Stück antikes Drama. Und immer wieder steigen aus den untersten Stockwerken in jedem von uns die Schattenspiele aus den Zeiten der Höhlenmalerei und der mesozoischen Meere herauf, Schattenspiele mit Eidechsenschwänzen und Büffelfell. Wir ahnen lediglich, daß eine Geste ihren Ursprung in einer längst vergessenen Bewegung hat, in einem längst vergessenen Klang, in einem Geruch oder einer Berührung. Meist wissen wir nicht, wo die Grenze zwischen dem Nichtgespielten und dem Vorgetäuschten zu ziehen ist, weil jeder Affekt auf zwei Beinen steht. Und nur bei den besten Schauspielern sind sie ganz gleich gewachsen.


***

Ester stürzte zum Sarg, riß die Arme auf, als wollte sie ihn umfangen, und begann mit dramatischem Sopran ihren Gesang: „Oh joj-joh! Uh ju-ju-ju-juh!“, bis ihr die Tränen in die Augen schoßen. Für einige Sekunden verharrte sie starr, selbst die Kerzen flackerten nicht, doch bevor das Publikum sich besonnen hatte, verband sich ihr ganzes Wesen mit dem Toten: sie blickte ihn an, streichelte ihn, drückte die gefalteten Hände mit dem Rosenkranz, legte zugleich die Stirn auf seine mit Heiligenbildchen übersäte Brust. Und wieder verharrte sie starr.
          Jadwiga machte einen Versuch aufzustehen, doch Marketa hielt sie zurück: „Laß nur“, flüsterte sie. Sie sah zum Bruder, zu ihrem Mann. Tomá¹ bedeutete ihr mit beschwichtigend, daß keine Gefahr drohe, wollte vielleicht auch etwas sagen, aber da richtete Ester sich auf und begann ihren Monolog – diesen unaufhaltsamen Fluß von Wörtern, zu Sätzen und Versen geflochten, diesen schwanken Bau über dem Gerippe entblößter Geschehnisse, oder auch Vorwürfe nur, Fragen, Botschaften. Ein gesungenes Schluchzen, hin und wieder in ein klagendes Parlando wechselnd oder in einfache Rede.
          „Unser geliebter Vorsteher, unser Freund und Väterchen, unser lieber alter Herr und Schwieger, was soll jetzt nur aus uns werden? Warum seid Ihr von uns gegangen, warum seid Ihr nur von uns gegangen, ach, unser lieber Herr Oberförster? Da seht Ihr nun nichts mehr, hört nichts mehr, oh-joh-joh. Wollt Euch doch noch auf ein Gläschen zu mir holen, erst vorvorgestern haben wir wieder gebrannt, Ihr wißt ja, vier Fäßchen hatten wir angesetzt, und süß ist der Sliwowitz heuer, ist wie Kristall, haben hundertzwanzig Liter davon, wer wird die nun trinken mit uns? Der Vincek, der kann das nicht mehr, der hat ja nur eine Niere, die Beine ganz hinkerig, sind völlig erledigt, und die Arme, die auch, oh jo-jo-joh, aber Ihr seid noch immer ein Mannsbild, ein richtiges, wart immer der Herr im Haus, wart unser Liebster und dem Wald ein Heger und Pfleger! Oh, und habt mir das Leben gerettet, als ich im Moor versunken war hinterm Seetal, habt nichts gefürchtet, nicht mal den Knochenmann: bis zu den Hüften war ich im Moor – aber es hat mich nicht nach unten gezogen! Mein guter Retter, so herzensgut wart Ihr und so gerecht, nur zweimal, da habt Ihr Euch vertan mit dem Lohn und habt den Vincek angeblökt, daß er Pferde schmuggelt nach Polen, hat aber nicht geschmuggelt, war nur mit einem Händler gut Freund, müßt `s ihm verzeihen, und die schwarzen Spanndienste auch, um Gottes Willen, ich bitt´ Euch drum, oh jo-jo-joh, wir haben ja auch alles verziehen und gebetet für Euch, besonders, als Ihr uns den Hund erschossen habt, aber der hat nicht gewildert, hat nur ein bißchen gestreunt, jo-joh, und jetzt, heilige Jungfrau Maria vom Hostýn, von Turzov und von Tschenstochau, jetzt seid Ihr bald schon droben im Himmel bei Eurer Frau! Habt sie sehr geliebt, und ich hab ja auch geklagt an ihrem Grab…juh....war wie ein Reislein, wie ein Schlehenzweiglein hat sie geschlummert in ihrem schwarzen Sarg und hat zwei verwaiste Täubchen zurückgelassen, haben sich gut verheiratet, beide, Ihr habt ja dem Jura auch eine gute Schule gegeben, wird jetzt in eure Fußstapfen treten, um die Wälder, da sorgt euch nicht, oh jo-jo-jo-joh, und das verzeiht ihm, daß er manchmal einen solchen Zorn auf Euch hatte und seinen eigenen Schädel, ich bin ihm auch nicht mehr bös, weil er hat mir ja die vierundfünfzig Fichten nicht bezahlt, die ich im Grund unten am Wallberg gepflanzt hab, ju-juh, hat aber eine tüchtige Frau, Ihr wißt ja selbst, was die für eine Künstlerin ist, ich hab mir kleine Becher bei ihr gekauft, für den Schnaps, und sie hat mir noch einen großen Steintopf dazugegeben, fürs Pflaumenmus, aber der ist mir zerbrochen, oh jo-joh, bekomm bestimmt einen neuen von ihr, ist ein gutes Frauchen, eine gute Frau Förster, so herzensgut, und die Kinder auch, Ihre Enkel... für wen wird die Helena jetzt klimpern auf dem Klavier und wer wird mit dem Ferda vor diesem Infernet sitzen. Ihr habt sie alle liebgehabt, genau wie Eure liebe Marketa, aber die habt Ihr am liebsten von allen gehabt; in den Wald habt Ihr sie mitgenommen, von Kind an, habt ihr da alle Vögel gezeigt und die Tiere und Blumen und Käfer, und mit der Flinte zu schießen hat sie von Euch gelernt, und dann hat sie geheiratet und ist nach Prag, uh ju-ju-ju-juh, aber gut geheiratet, daß es ein Glück ist, habt ja auch den Herrn Dokter von ihr sehr gern gehabt, und die Olinka, Euer Enkelkind, die ist auch schon Dokterin, nur halt eine justizene ... joh .... lauter Dokters, lauter Dokters, da habt ihr wenigstens Freude im Himmel, aber was wird mit uns Armen hier unten? Wer wird uns jetzt trösten, wenn Ihr uns hier so verlassen habt, so verlassen, so schnell, wie ein Blitz aus einer schwarzen Wolke, morgen, Herr im Himmel, morgen schluckt Euch die kalte Erde, aber wir richten euch eine schöne Leiche, da habt Ihr das Wort von uns allen, das ganze Dorf, das kommt, und Leute aus der Stadt kommen auch, uh ju-ju-ju-juh! Nicht mal von Eurer treuen Gefährtin, von der Jadwiga, habt Ihr noch Abschied genommen. Warum Ihr sie nur nicht geheiratet habt? Wer wird sie jetzt drücken und wärmen, für wen wird sie waschen und kochen und Socken stopfen? Uh ju-ju-juh!“
          Stille. Mit einem Mal. So unvermittelt, daß keiner sie wahrnahm. Ester ließ den Kopf sinken, die Arme fielen am Körper herab, sie war völlig erstarrt, wie ihr Publikum.
          Jadwiga kam als erste zur Besinnung und sagte leise: „Na, also so was...“, und holte Luft, doch Tomá¹, vorausschauend, kam ihr zuvor. Er dankte im Namen der Familie für das bekundete Beileid... Die Patáková hörte nicht und stand reglos. Schließlich kam von irgendwo aus dem Dunkel die Stimme von Vincek: „Na, wach auf“, und bevor die Zuschauer sich des wortkargen Pferdeknechts bewußt wurden, richtete Ester den Blick zur Decke, streckte sogar auch die Arme hoch, so daß sie ein Stück in die Höhe wuchs, und begann von neuem. Oh jo-jo-joh, was habe ich nicht um unsere Rozalka geweint, um unser Engelchen, noch keine sechs Jahre war sie, als sie die Krämpfe bekam und starb! Immerzu hab ich geweint um sie und hab gerufen, was hast Du mir, Töchterchen, was hast Du mir da nur angetan? Zum Glück seid Ihr da gekommen, Herr Förster, und habt gesagt, daß das Weinen nicht hilft, und Ihr wart so freundlich zu mir, so freundlich, jo-hoh, und dann ist unser Ondøej geboren, unser flinker Falke, da hatten wir wieder Freude, aber nach Brünn hat er sich verheiratet, und der Vincek und ich sind wieder allein hier, jo-jo-joj, so allein! Was fangen wir nur an, wenn Ihr jetzt in der Ewigkeit seid? Wir haben Euch sehr geliebt, Ihr wart unser geliebter Vater, uns alter Herr, unser Schwieger und Freund … joj, ein so sehr geliebter Freund! Ju-juj…Gott befohlen, Gott befohlen, uh, ju-ju-ju-juj!“

***

Die großen Ereignisse der Weltgeschichte sind im Grunde zutiefst bedeutungslos. Jung.

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Schweigen. Als würde sich einer vor dem anderen verstecken wollen, aber nur Helena verließ unvermittelt das Zimmer.

***

Ich hatte bis dahin nichts Vergleichbares gehört. Ich mußte mich rasch ans Klavier setzen und ein paar musikalische Motive notieren, denn die melodische Seite von Esters Kondolenz, oder was immer das sein sollte, war unglaublich! Die Noten sprangen mir wie von selbst in die Linien. Wahrscheinlich hätte ich mich schämen sollen, für meinen Zynismus, aber an diesem Abend bin ich mir das erste Mal bewußt geworden, wie melodisch die Klage ist. Janáèeks Wanderung einer kleinen Seele kam mir in den Sinn und dann weitere und weitere Klänge, weitere Werke und Namen, von Strawinsky über Martinù bis Beethoven. Jetzt weiß ich, daß am Beginn jeder Musik die Klage steht. Damals habe ich nicht darüber nachgedacht. Die anderen kamen ungefähr zehn Minuten später ins Zimmer, zum Glück war ich schon zum Ende gekommen, unter meinen Finger verklang gerade: und Ihr wart so freundlich zu mir, so freundlich, jo-joj...

***

Sie kamen schweigend, jeder setzte sich irgendwohin, Marketa zu Jadwiga, Ferda zu Olga auf die Couch. Der Cocker Don kam sogleich zu Marketa gelaufen und schmiegte sich an sie und sie streichelte und tröstete ihn. Jitka schüttete ein wenig Kohle in den Ofen nach und fragte die Tochter, ob sie etwas spielen wolle. „Nein“, sagte Helena, „ich mußte nur eine Weile für mich sein.“ Und klappte das Klavier zu.
          Ferda wandte sich an Jadwiga, die er unauffällig beobachtet hatte: „Was ist mit Dir, Großmutter?“ Sie antwortete beinah flüsternd und dazu auf polnisch: „Kiedy gorycz wchodzi do duszy, to wypowiadasz takie wyrazy.“
          „Ich weiß nicht, was gorycz ist?“
          „Kummer“, sagte Marketa. Sie wußte, daß ihre Ziehmutter an Esters Auftritt dachte, aber nicht darüber sprechen konnte.
          „Wir wollten Euch Euren Angora-Kater bringen, aber unsere Minda ist da noch murrig, und er würde sowieso sofort wieder zu ihr laufen“, mischte sich Vincek in die stockende Unterhaltung. Jitka knüpfte mit einem Angebot an: „Ich bring was zu beißen. Es sind noch Buchteln da, ich könnte auch was vom Hackbraten aufschneiden oder Würstchen warmmachen…“ – „Wegen mir“, unterbrach die Pataèka sie, „macht Euch keine Sorgen. Irgendwie ist mir die Kehle trocken, ich würd´ nur ein Gläschen trinken. Und der Vincek ein Bier.“
          Tomá¹ hörte die andern nicht.

***

Jiøí war nicht mit uns ins Zimmer zurückgekommen, er war zu ihm gegangen. Er saß auf dem Bett des Vaters. Beinahe hätte ich ihn übersehen, denn von der Tür aus sah man nicht weiter als bis zu dem erleuchteten Sarg. – Komm rein, hörte ich ihn sagen. Ich schloß die Tür hinter mir uns stellte mich ans Fenster. Wir schwiegen ziemlich lange, dann sagte er: – Ich mußte die Kerzen auswechseln, die vom Abend hätten nicht bis zum Morgen gereicht.
          Irgendwas habe ich ihm geantwortet, irgendwas Unwichtiges. Gleichzeitig hatte ich den Eindruck, daß von draußen her jemand ruft. Ein bißchen erinnerte es an das Heulen des Windes, aber es ging kein Wind. Im gleichen Augenblick schlug Don an, und obwohl drei Wände uns von ihm trennten, klang sein Bellen sehr scharf. Einige Stimmen schimpften mit ihm, der Hund verstummte, es war wieder still, bis auf das Rufen von draußen. Ich öffnete ein wenig das Fenster und fragte Jura, ob er das auch höre. Er bemerkte mich gar nicht. Mit geschlossenen Augen sagte er: – Meistens lieben wir mit Verspätung. Er stand auf, richtete eine Kerze gerade, streichelte den Sarg und trat ans Fenster. Er horchte. – So irgendwie heulen Wölfe, sagte er überrascht.




II

Kontext:
Dem Kapitel über die Menschen folgt nun – ein kleiner zeitlicher Sprung nach vorn – ein Kapitel über die Wölfe. Es geht um Vater und Mutter (Wolf und Wölfin) sowie ihre Nachkommen aus dem ersten und zweiten Wurf. Das sind: Purim (die Erinnerung an den Tag, als die Familie an der Grenze ihrer Jagdgründe auf ein feindliches Rudel traf und die blutige Spannung sich in Freude über die Erkenntnis wandelte, daß auch das Los der Flüchtlinge einmal ein Ende hat), Èingis (der Blick seiner schiefstehenden Augen trägt den Schatten eines über der Steppe gleitenden Raubvogels in sich, in der das Federgras ins Gold der skythischen Grabhügel wächst), Beltýna (sie liebt Verstecke in der Nähe von Heiligtümern; von dort aus sah die Wolfsgemeinschaft einst den Feiern der Kelten zu, die bei Anbruch des Frühlings Feuer entzündeten und Beltin, Beltin riefen, um Dunkel und Tod zu vertreiben), U¹al (der ungewöhnlich lange Ohren hat, beinahe wie ein Hund). Zwei der Söhne sind bei einer Treibjagd nach dem Überfall auf einen Schafstall vor kurzem von Jägern erschossen worden: Odin (in ihm lebte etwas von dem germanische Donnergott, und von klein auf bewunderten ihn alle für den mythischen Klang seines Geheuls) und ®abák (der hopsende Clown).

Nach Hunderten Kilometern Flucht war die vorbeifliegende Landschaft endlich zum Stillstand gekommen. Sie hatte natürliche Ausmaße angenommen – Höhen, Weiten, Tiefen, ein Netz voller Schneisen, Umrisse, die ihren Vorstellungen von Überfluß und Sicherheit entsprachen. Seit dem Augenblick, als Wolf und Wölfin auf dem Felsenriff von Hradisko ihre Freude herausheulten, war eine Woche vergangen, und die Entdeckung ihres neuen Zuhauses ließ die Wolfsfamilie zu den Gewohnheiten zurückkehren, die sie weit weg im Osten angenommen hatte. In den Wölfen war wieder die Kraft erwacht, die ihren Selbsterhaltungstrieb und Tatendrang steigerte. Vom ersten Tag an durchstöberten sie das erwählte Revier, nahmen es in sich auf, registrierten die Höhen, Kämme, Lichtungen, Kahlschläge, Mulden und Abhänge; stundenlang trabten sie im Schutze dichter Wälder, zwängten sich durch Gestrüpp und wateten durch halbvereiste Bäche. Besonders auffallende Stellen wie einzeln stehende Bäume, den Unwettern ausgesetzte Felsblöcke oder nur ihnen sympathische Kleinigkeiten (wie ein Büschel Riedgras) erhoben sie zu Grenzsteinen, und der Wolf, zur Abschreckung aller Eindringlinge, setzte seine Duftmarke. In unbewachten Augenblicken gesellte sich später auch Èingis zu ihm. Der Vater nahm sein Tun wohlwollend auf, sie wurden Partner, und er verwehrte es nicht einmal U¹al, daß er bisweilen den Kerl in sich herauskehrte. Doch im Gegensatz zum Vater und seinem älteren Bruder hielt U¹al das Pinkelritual mehr für ein Spiel als eine ernsthafte Handlung. Auf einer der Expeditionen entdeckte er das Nest einer Elster. Ein Unwettter hatte es von einem Ahornast heruntergefegt, es lag zerrupft da, einige Glasscherben glitzerten darin, auch eine leere Patronenhülse und ein Fetzen Staniolpapier. Noch entströmte dem Nest Vogelgeruch. U¹al schnappte sich das Nest, gerade noch daß er es im Maul halten konnte, und jagte damit etliche Minuten zwischen den Baumstämmen herum, seine Schwester Beltýna hinterdrein. Während ihres Fangspiels verlor er zwar den Großteil des Elsternquartiers, doch als er dann plötzlich wie erstarrt stehenblieb und den besabberten Rest in den Schnee fallen ließ, gehörte es nur noch ihm. Mit gefletschten Zähnen verjagte er die Schwester, kehrte zurück, um die Trophäe zu bepinkeln, und jagte sogleich wieder zu seiner Familie, die alles belustigt mit angesehen hatte.
          Zweihundert Meter unterhalb des Berggipfels Hradisko, zu dem Wolf und Wölfin gleich zu Beginn eine besondere Zuneigung gefaßt und den sie als ersten Beobachtungsposten auserkoren hatten, entdeckten sie am Ende der Schlucht zwischen Felsen eine im Sommer von Farnen überwucherte Fläche, die in einen dichten Fichtenwald überging. Einen vor Unbill geschützteren Platz hatten sie bisher noch nicht gefunden, daher kehrten sie täglich zum Ausruhen hierher zurück. Eines Abends machten sie sich von hier aus auf den Weg, um die nördliche Grenze ihres Reviers zu erkunden. Mit der Jagd nach Futter mußten sie sich nicht aufhalten, da sie unterwegs den Rest der Beute verschlangen, die sie morgens unweit von U¹als Elsternwald gerissen hatten. Sie trabten gemächlich, blieben bisweilen stehen, um die Umgebung einer Futterstelle zu erkunden, einen alten Windbruch, belebt vom Gestank aus Dachslöchern, ein verödetes Wasserbecken oder auch eine prächtige, zu Eis gewordenen Bachkaskade, die durch die Taubstummheit der Eiszapfen und der vom Schnee verwehten Tümpel provozierte. Nach etwas zehn Kilometern endete der Wald, eine verschneite Wiese breitete sich vor ihnen aus. Sie erstreckte sich bis in die Ferne längs einer durchs Tal führenden Straße, die an diesen Stellen leicht anstieg, und am entgegengesetzten Ende der Wiese, in Richtung einer Serpentine, ragte eine riesengroße Reklametafel empor, die gleißendes Licht verbreitete.
          Sie hielten an und starrten wie verzaubert auf diese Erscheinung. Langsam setzten sie sich und blickten wieder hin. Von der Reklametafel lächelte sie ein menschliches Gesicht an, das ein Drittel der Fläche einnahm. Der Mensch hielt eine offene Flasche Bier an die Lippen, und die schäumende Flüssigkeit ergoß sich nicht nur über die Flasche, sondern auch über die Finger, die die Flasche umklammert hielten.
          Diesen gläsernen Gegenstand kannten die Wölfe. Sie hatten ihn etliche Male an Plätzen liegen sehen, an denen zuvor Wanderer gelagert oder Holzfäller ihre Brotzeit gemacht hatten, einmal thronte einer sogar aufrecht stehend mitten auf einem Baumstumpf und glänzte flimmernd in der Oktobersonne. Der sechs Monate alte U¹al, dem von klein auf alles schmeckte, was betäubend duftete, hatte sich damals dieses herausfordernden Gegenstandes bemächtigt und ihn abgesondert von den anderen beschnuppert und abgeleckt.
          Auf der Landstraße fuhr ein Auto vorbei, verschwand hinter einer Kurve, dann war es wieder still. Das Menschengesicht lächelte unaufhörlich. Selbst nach fünfzehn Minuten konzentrierter Beobachtung konnten die Wölfe nicht das geringste Anzeichen einer Bewegung wahrnehmen, nur der Vollmond, der ein paar Meter über der Tafel stand, war von deren linken Rand zum rechten weitergerückt, doch konnte die klassische Mondscheibe mit der faszinierenden Wirkung des riesigen Bildschirms nicht konkurrieren. Aus der Perspektive der Betrachter schwebte diese Erscheinung über der Erde und schien auch ein Stück des Himmels zu sein, wenn ihn nicht gar zu beherrschen.
          Die ganze Zeit hatten sie nichts Ungewöhnliches vernommen, und da die Brise, die vom Billboard herüberwehte nicht den erwarteten menschlichen Geruch mit sich brachte, ließ die Anspannung nach, das vor Erregung gesträubte Fell legte sich. Èingis, ausgerechnet Èingis, der schweigsamste von allen, jagte in geschmeidigen Sprüngen zur Mitte der Wiese, er verharrte in dem unberührten Schnee, hob die Kehle und stimmte an: uuuh, wuuuhndervoll! Sogleich reihte sich in weitem Halbkreis das gesamte Sängersextett um ihn: uuuh, wuuuhndervoll, wuuuhndervoll, wuuuhndervoll!
          Als die letzten Töne der Kantilene in der Unendlichkeit versunken waren und das strahlende Gesicht des Dirigenten mit dem Bierflaschentaktstock noch immer ausdruckslos vor sich hin blickte, hielt der Wolf darauf zu. Èingis schloß sich ihm sogleich an, dann folgten Purim, U¹al und Beltýna. Die Wölfin, gewohnt die Unbesonnenheiten der anderen aus der Reserve zu beobachten, blieb an Ort und Stelle. Diesmal war ihre Vorsicht überflüssig, das Rudel erhob das Billboard mit dem üblichen Pinkelritual zum nördlichsten Grenzstein des Reviers, ungeachtet der Tatsache, daß es Bäume, Felsblöcke und Riedgrasbüschel durch seine menschlichen Ausmaße überragte. Die aber brachten den Wölfen zugleich in Erinnerung, daß sie sich, sollten ihnen die umliegenden Berge mehr werden als nur ein vorübergehender Aufenthalt, in ihnen würden verlieren müssen. Aus Erfahrung wußten sie, daß es nicht schwer ist, dem Menschen auszuweichen, ihn aus der Ferne zu beobachten; viel schwerer war es, nicht mit seinen wunderlichen Absichten in Konflikt zu geraten, ihn nicht durch irgendetwas zu reizen.



III

Kontext:
Sieben Monate sind vergangen, einige kleinere und größere Ereignisse haben sich abgespielt. Die Wölfin hat zum dritten Mal Junge bekommen, und auch in der Menschenfamilie erwartet man Nachwuchs, auf den sich vor allem Marketa und Tomá¹ freuen; Tochter Olga wird sie demnächst zu Großeltern machen. Es ist ein später Augustnachmittag, den jeder auf seine Weise verbringt. Ein Teil der Familie ist in die Stadt gefahren, um einzukaufen, die anderen faulenzen oder treffen Vorbereitungen für das Lagerfeuer am Abend. Ester Patáková hat sich in die Berge aufgemacht, um für die werdende Mutter Kräuter zu sammeln. Die Wolfskinder sind vom Spielen müde, Purim hütet als Kindermädchen zusammen mit Schwester Beltýna deren Schlaf. Wolf und Wölfin hatten Sehnsucht nach Ruhe und haben sich vor dem Rudel in den Wald geflüchtet.

Die Sonne senkte sich gegen die Hügel im Westen, und U¹al ließ nach nunmehr zwei Stunden von seinem Vorsatz ab, den Spuren der Eltern zu folgen. Er hatte begriffen, daß der Vater und die Mutter allein sein wollten, daß er, auch wenn er sie einholte, sich nicht zu ihnen gesellen dürfte. Er setzte sich in den Klee, der von einzelnen hellen Flecken übersprengt war, starrte in die leuchtenden Bänder, die sich schräg durch die Senkrechte des Fichtenwaldes zogen und vertrieb sich die Zeit mit dem Beobachten der Mückenschwärme, die darin tanzten. Er war weder fröhlich noch traurig, er sehnte sich nur nach Gesellschaft, und da trug ihm der Wind einen verheißenden Geruch zu. Ester näherte sich. U¹al lebte auf, ihm wurde bewußt, daß er mitten auf ihrem Weg saß, und so schlug er sich ein Stück auf die Seite, bis er im Dämmerlicht verschwamm. Er ließ die Alte passieren und folgte ihr nach. Was ihn anzog, war nicht nur die Natürlichkeit, mit der sie dem Wald ihre privilegierte Stellung kundtat. Es war vielmehr der Duft von Alkohol, der ihn an sie fesselte – diesmal eine Mischung aus Sliwowitz und Rum. Das erhob sie zu seinem Kumpan, aber er wußte nicht, wie er damit umgehen sollte.
          Ester, U¹al im Schlepptau, erreichte das Ende des großen Waldes und trat auf den Hang hinaus, der nur von Wacholder, Kräutern und Gräsern bewachsen war. Sie nannte ihn für sich den Blanken, denn er war seit Menschengdenken ohne Bäume und hatte nie irgendwelche Setzlinge angenommen. Manchmal aber nannte sie ihn auch anders: Donnerberg, Schlangenfels, Jungfrauenhügel, Tückenspitz, Heidenstein, Dickschädel, Perlenkamm, Gotteshöhe… und immer sprach sie mit ihm und von gleich zu gleich. Sie zog den Flachmann aus der speckigen Weste, nahm einen tüchtigen Schluck und grüßte mit ihrem Buchenknüppel die Wacholderbüsche vor sich und dann den ganzen Blanken: „Da hast Du mich wieder einmal hier.“ Von einem Felsgipfel flog eine Lerche auf und ihr temperamentvolles sip-sip-sip wob sich in das Krachen eines Steins, der sich aus der verwitterten Wand gelöst hatte und auf das Geröll hinabstürzte. Das Gespinst des Heupferdchenkonzerts mit seinen Wespentenören und Hummelbässen verstummte, der sonnenerwärmte Hang schwieg für ein paar Sekunden und die Beredtheit dieser Geste wurde von einer seltenen Erscheinung unterstützt: ein Schwarzäugiger Alpenfalter (Parnassius apollo), der bis dahin unauffällig im Rund einer erblühten Eberwurz geruht hatte, öffnete seine blassen Flügel und schob die Grenze der Stille an die Vollkommenheit.
          „Geb´s Gott“, antwortete Ester und stieg bergan, hoch zu der Stelle, wo die Zitzwurzel wuchs, das Kraut, wegen dem sie zu dieser nachmittäglichen Expedition aufgebrochen war. Der Blanken begann von neuem zu klingen. Und mit diesem Klingen ermunterte er den Besuch und erleichterte ihm den anstrengenden Aufstieg. Kaum daß die Patáèka sich unter den Pflanzen fand, breitete sie ihr Grastuch auf den Boden und machte sich ans Sammeln, und während sich die Halme auf der Plache mehrten, konversierte sie weiter: „Kein Wunder, daß ihr Euch mit dem Blühen gesputet habt, ihr lieben Zitzwürzelchen, es war ein trockenes Jahr.“ Und dann stimmte sie das Lied von der Mutter an, die sagt: „Töchterlein, pflück Kräuter fein, dem Köpflein wird kein Weh mehr sein.“ Und während sie sang, stärkte sie sich immer wieder aus dem Flachmann und als sie nicht mehr wußte, wie es weiter ging, überlegte sie kurz, gähnte schließlich und arbeitete eine Weile schweigend. Ihr Gefühl für die Kräuter drängte sie zu weiteren und diesmal viel vertraulicheren Sätzen. Zunächst legte sie dar, welch großes Glück ihnen da widerfahre, wenn sie dann später ihre Zauberkraft an die Tochter weitergeben, die eine Frau Dokter ist, und das sogar in Prag, und demnächst ein Kind bekommt. „Jetzt heißt sie Hybler“, aber ich nenne sie Olinka, ich kenn sie von klein auf, und vor allem wünsche ich ihr viel Milch zum Stillen, das merkt Euch mal gut.“ Von Olga sprang sie über zu den anderen Mitgliedern der Familie Butora. Sie blickte rund um sich (U¹al, der sich in einer Salbeimulde versteckt hielt, drückte sich auf den Boden) und senkte die Stimme: Helenka hat mir von ihrer unglücklichen Liebe erzählt, von dem Maler, angeblich sind sie jetzt auseinander, aber sie liebt ihn immer noch. Ich hab ihr versprechen müssen, es niemandem zu verraten. Wie bin ich froh, daß es wenigstens der Marketa geglückt ist und sie jetzt Großmutter wird.“ Sie warf ein Bündel frischer Halme auf den Haufen und wechselte wieder in eine Melodie:„Was hab ich um unser Söhnchen geweint, und die Rozalka ist auch nicht mehr, der Herr Förster Butora hat aber gemeint, das Plärren, das ruft sie auch nicht her, er war zu mir so gut, so gut, tat zärtlich wie ein Täubchen tut, o jo-jo-jo-joj!“
          Esters abschließendes Klagegeheul ließ die Stimme des Blanken eine Tonart höher klingen und hätte U¹al fast zu einer Antwort bewegt. Er bemühte sich, ihre Absichten zu erraten. Sie setzte sich, lehnte sich an einen Stein und sagte: „Die ewigen Begräbnisse gehen mir allmählich ans Hirn“. Das spülte sie mit einem Schluck Rum hinunter, bot ihr Gesicht der sinkenden Sonne dar, schloß die Lider und beobachte durch diese Jalousie, wie der Schatten den unteren Teil des Hanges verschluckte. Sie ließ den Kopf sinken und schlief ein. Der Wolfssohn beobachtete sie. Ihr Flachmann lockte immer mehr. Er lag neben ihr, und je mächtiger die Dämmerung wuchs und die verbotenen Grenzen verwischte, desto erreichbarer schien er.
          U¹al schlich sich bis auf wenige Meter an die Alte heran, hielt inne; nie zuvor hatte er ein menschliches Gesicht so deutlich gesehen. Ester hatte den Mund leicht geöffnet, die Zunge hing ein wenig heraus. Sie atmete vernehmlich, tat ab und an einen Schnarcher. Sie erinnerte ihn an Purim. Mit eingezogenem Schwanz und gesträubtem Fell rückte er noch ein Stück näher, doch die Schläferin zuckte. Plötzlich sah einer dem andern ins Auge. Eine kurze Verbindung. Die sie unterbrach. Langsam hob sie die Hand, zwickte sich in die Wange. Dann streckte sie den Arm nach der Erscheinung: „So viel getrunken hab ich doch gar nicht“, brummte sie.
          U¹al zitterte leicht. Längst hätte er die Flucht ergriffen, doch das konnte er jetzt nicht mehr. Die Grenze, die er zu überschreiten gewagt hatte, band ihn. Um die übermäßige Spannung zu lösen, öffnete er die Schnauze und hechelte. Eine Geste des Entgegenkommens, auch Ester legte sich das so aus, doch zog sie den Arm angesichts des bezahnten Fangs lieber zurück, in die Sicherheit des Schoßes. „Dich hab ich hier noch nicht gesehen, wo kommst du denn her?“ Sie schlug einen kameradschaftlichen Ton an. Und da fiel ihr das Geheul ein, das sie manchmal gehört hatte, die erwürgten Schafe, die Gurgelbeißer, über die in der Gegend Gerüchte kursierten, angeblich sogar in der Zeitung zu lesen waren. Sie blickte dem Eindringling erneut ins Gesicht. Nur flüchtig, um ihn nicht zu reizen. Bernsteingelb blitzte es in den Augenspalten. Sie wußte, daß sie auf keinen Fall die Courage verlieren durfte, nur fühlte sie sich nach dem anstrengenden Nachmittag nicht sonderlich bei Kräften, und setzte also um so mehr auf die Rolle der bemühten Gastgeberin: „Ich weiß, du bist ein Wolf. Na, dann mal willkommen hier, auf dem Blanken“, und gleichzeitig suchten ihre Augen nach dem Stock. Er lag auf der anderen Seite des Tuches. Vorsichtig streckte sie den Arm danach. Doch U¹al knurrte drohend, sogleich nahm sie wieder eine friedfertige Haltung ein und gab sich kokett, in ihrem ausgehöhlten Mund blitzte es auf, ein Goldzahn – ihr ganzer Stolz. Ungewollt brachte sie ihren Gegner damit für einen Augenblick aus der Fassung, doch dessen Gelüst auf den Rum war stärker, jeder Nerv spannte sich nach dem Flachmann: Gib schon, gib her!
          Ester begriff. Vorsichtig langte sie nach dem strittigen Gegenstand, schraubte den Bakelitverschluß ab, nahm einen Schluck, dann hielt sie ihm mit zitternder Hand die Flasche hin: „Du auch?“ Und um sich zu beruhigen, fügte sie tapfer hinzu: „Das hab ich gar nicht gewußt, daß so ein Wässerchen auch Wölfen schmeckt.“
          Er knurrte erneut, diesmal mit hochgezogenen Lefzen, zeigte die Reißzähne. Da, Mädelchen, hilft auch kein Weihwasser mehr, dachte sie, der Rum aber, zum Glück, setzte so etwas wie ein Lied in ihr frei, schrill drang es aus ihrer Kehle hoch: „Würde singen, wenn ich könnt‘, weinen will ich nicht, wollt´ gern heim, ach, kann ja nicht, im Weg steht mir ein Wolf.“
          Kaum hatte sie geendet, setzte U¹al ein. Sein Geheul dauerte nicht länger als Esters Couplet. Ihre Stimmen umschlangen sich in einem gemeinsamen Echo, und beide lauschten diesem Duett von Wolf und Mensch nach, bis es sich tief in den Wäldern im Pianissimo verlor. Der Wolf setzte sich, er schien gezähmt. Der Alten wurde leichter ums Herz. „Na,“ sagte sie und warf ihm den Flachmann vor die Pfoten. Er schnappte ihn und verschwand zwischen den Wacholderbüschen.

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